Flügel wie Adler – Gedanken zur Woche

(4.5.20) Letzten Sonntag habe ich einen Milan gesehen. Ich staunte, wie er gleichmässig und fast ohne einen Flügelschlag seine Kreise zog.
Fliegen können, leicht wie ein Vogel sein, alles von oben betrachten – das ist ein uralter Traum der Menschen. Flügel haben. Unbeschwert sein. Über den Dingen schweben.
Dazu kommt dann noch die erforderliche Energie und Technik. Alles mit möglichst wenigen Flügelschlägen meistern. Kraft und Ausdauer, um eine Situation wie jetzt gut zu überstehen. Vielleicht auch nur die täglichen Anforderungen zu erfüllen. Energie für Kinder, Familie und Beruf. Oder woher die Kraft nehmen, wenn die Knochen älter werden und nicht alles mehr so schnell geht wie vor ein paar Jahren? Energie und Kraft für die vielen Erwartungen. Gelingt es einem dann, noch ruhig seine Kreise zu ziehen?
In der Bibel gibt es beim Propheten Jesaja einen schönen Vers: Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem Unvermögenden. Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.
Genaugenommen klingt das wie eine Wunschvorstellung. Auch die Menschen damals waren skeptisch. Denn ein paar Zeilen vorher heisst es: Warum sagst du denn: »Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber«?
Das heisst, die Leute sagten, Gott interessiert sich gar nicht für mich. Er verschafft mir kein Recht. Wo greift er denn ein, wo ändert sich denn etwas zum Guten in meinem Leben? Darauf startet Jesaja dann eine grosse Rede gegen diesen Zweifel und daraus stammt unser Vers: Hebt eure Köpfe und schaut euch um. Staunt über alles, was euch umgibt. Vertraut auf Gott, auch wenn ihr nicht alles gleich begreift. So steht es da sinngemäss.
Heute ist doch ähnlich. Moderne Menschen glauben nur, wovon sie sich selber überzeugt haben. Es ist auch gut, realistisch zu sein. Wir wissen, dass uns keine Flügel wachsen, dass wir nicht unbegrenzt Kraft und Energie haben. Aber dennoch brauchen wir solche Zusagen, solche Verse für unser Leben. Denn sie sagen uns: wagt Gottvertrauen. Haltet fest am Glauben. Fragt, wo Gott mit euch hin will. Sprecht mit ihm. Vertraut ihm und ihr werdet die Kraft spüren, die Flügel, die euch auffahren lassen und helfen, manche Last zu tragen                                                                                                     Pfarrer Torsten Amling